Individualpsychologische Beratungspraxis (DGIP)

Renate Freund

 

 

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Kinder und Tod

Seit einiger Zeit machte Susanne jeden Abend eine Szene, wenn sie ins Bett sollte. Sie klammerte sich an die Mutter und beteuerte immer wieder, dass sie nicht schlafen wolle. War sie dann irgendwann doch eingeschlafen, nicht selten noch mit den letzten Tränen im Auge auf dem Schoß der Mutter, wirkte sie immer noch nicht entspannt, schreckte nach kurzer Zeit wieder hoch, weinte und wirkte verstört. Wenn der Vater sich sonntags zu einem Mittagsschlaf hinlegte, konnte Susanne es trotz wiederholter Ermahnungen nicht lassen, ihn zu knuffen oder zu kneifen, bis er aufwachte. Dieses Verhalten war völlig neu und passte nicht in die sonst sehr rücksichtsvolle Familie.

Die Eltern konnten sich nicht erklären, was in Susanne vorging, schlief sie doch schon seit Jahren problemlos in ihrem Bett ein und rührte sich die ganze Nacht nicht, von einzelnen gelegentlichen Ausnahmen abgesehen. Schließlich löste sich ihnen das Rätsel, als sie Susanne beim Spielen beobachteten:

 „Du kommst jetzt in einen Sarg,“ hörten sie sie zu ihrer Puppe sagen, „und dann schläfst du schön, und kommst da nie, nie wieder raus!“

Nun dämmerte es den Eltern. Hatten sie nicht selbst der Tochter gesagt, die Omi würde nun ganz, ganz lange schlafen. Und hatten sie nicht gerade vor Beginn der Schlafschwierigkeiten auf Susannes Frage, wann die Omi nun endlich wiederkäme, erklärt, die Omi käme nie wieder? Das also hatte Susannes Angst vor dem Schlafen ausgelöst. Ja, und um den Papa hatte sie natürlich auch Angst, dass er nicht wieder aufwacht. Nach einem langen, einfühlsamen Gespräch über die Omi und ihren Tod konnte Susanne auch wieder schlafen.

Überhaupt müssen wir in diesem Zusammenhang sehr behutsam sein mit dem, was wir unseren Kindern sagen. Aussprüche wie „Du machst mich krank!“, „Du bist ein Sargnagel!“ oder „Du bringst mich noch ins Grab!“ können in Kindern (ganz gleich welchen Alters) tiefe Schuldgefühle auslösen, wenn einem Elternteil dann etwas zustößt oder er eine tödliche Krankheit bekommt. Auch Aussprüche wie „Das kann kein Mensch aushalten!“, „Du hast deine Schwester zu Tode erschreckt!“ „Du hast den Bruder tödlich beleidigt!“ können entsprechende Folgen haben.

Nach dem Tod eines nahen Verwandten gilt es grundsätzlich, seine Kinder gut zu beobachten; denn Kinder entwickeln in diesem Zusammenhang leicht Schuldgefühle, die für uns nur schwer vorstellbar sind und großen Einfühlungsvermögens bedürfen.

Hat nicht der große Bruder dem jüngeren neulich insgeheim den Tod gewünscht, als dieser ihm das Fahrrad kaputtgemacht hat?

Hat nicht die Schwester gedacht, wenn die Kleine tot wäre, hätte Mutti mehr Zeit für mich? Gedanken im Zorn, nicht so ernst gemeint, aber dann wir ein Geschwisterkind oder Elternteil plötzlich lebensbedrohlich krank und stirbt... Wir sollten deshalb in jedem Falle beim Tod eines Angehörigen unseren Kindern sagen, dass sie daran nicht schuld sind, dass die Person durch den Unfall oder an jener Krankheit gestorben ist.

Kinder unter acht Jahren können in der Regel mit Worten nicht äußern, dass sie trauern. Wir können es nur aus ihrem (veränderte) Verhalten schließen. Entweder ziehen sie sich mehr zurück als gewohnt, werden anteilnahmslos und einsilbig, oder sie zeigen sich aggressiv, wild und ungehorsam. Sie streiten mit ihren Freunden, sind unkonzentriert in der Schule oder entwickeln körperliche Symptome. Andere wiederum tun so als ginge sie der Verlust des Angehörigen nichts an, als ließe sie das Geschehene kalt. Hier bedarf es vieler einfühlender Gespräche oder auch nur des Zeigens von Nähe. Sind die Eltern selbst stark durch den Tod betroffen, fällt es noch schwerer, seinem Kind gerecht zu werden, hat man doch Mühe, mit den eigenen Gefühlen klar zu kommen. Dann sollte man sich nicht scheuen, sich Hilfe von außen zu holen, gute Freunde oder auch Fachleute, um es sich und seinem Kind /seinen Kindern nicht noch schwerer zu machen.

Trauern kann man auf sehr unterschiedliche Weise. Der eine braucht es, immer wieder über den Verstorbenen zu sprechen, sich gemeinsame Erlebnisse oder die Umstände des Todes vor Augen zu führen und davon zu reden. Der andere möchte nicht an den Toten erinnert werden, seinen Namen nicht nennen, alle Gegenstände forträumen, die mit ihm in Verbindung standen. Beide Weisen haben ihre Berechtigung und können hilfreich sein für die jeweilige Person. Schwierig wird es nur dann, wenn einer dem anderen die echte Trauer abspricht und die Weise nicht aushält, mit der der andere seinen Schmerz zu bewältigen versucht. (Nicht von ungefähr gehen nach dem Tod eines Kindes so viele Ehen in die Brüche). Auch die Art, wie Ihr Kind mit dem Tod eines lieben Menschen umgeht, kann so ganz anders sein als Ihre. Das sollten Sie im Blick haben und es aushalten, wenn Ihr Kind auf seine Weise trauert.