Individualpsychologische Beratungspraxis (DGIP)

Renate Freund

 

 

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Sexueller Missbrauch

Alle Eltern sind in Sorge, dass ihr Kind eines Tages das Opfer eines Sittlichkeitsverbrechens wird, und fragen sich, wie sie ihr Kind vor diesem traumatischen Erleben bewahren können, weil dies sonst möglicherweise sein ganzes späteres Leben beeinflusst. Auch wenn die Zahlen nicht gesichert sind, so ist doch außer Frage, dass der sexuelle Kindesmissbrauch in den letzten Jahren massiv gestiegen ist. Man geht davon aus, dass jedes vierte Mädchen und jeder zwölfte Junge sexuellen Übergriffen ausgesetzt war oder ist. Bei 80% davon findet man den Täter in der eigenen Familie, in den anderen Fällen handelt es sich überwiegend um Täter aus dem vertrauten Umfeld des Kindes, also aus seinen Erziehungs- Schul- und Freizeiteinrichtungen. Nur ein ganz geringer Anteil ist den Opfern vorher nicht bekannt. Das macht eine Vorbereitung der Kinder auf diese Gefahr so schwierig; denn es ist noch einfach, Zurückhaltung bei Fremden zu lehren, aber man kann nicht Misstrauen in alle Personen des engen Verwandten- und Freundeskreises säen. Kinder brauchen Menschen, bei denen sie sich sicher und geborgen fühlen.

Was kann ich tun, um mein Kind zu schützen?

Leider ist Schutz aus den oben genannten Gründen nur bedingt möglich. Was man tun kann (und sollte!), ist eine Erziehung zu Selbstbewusstsein, zu der Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen und zu artikulieren. Sie helfen Ihrem  Kind, wenn Sie ihm grundsätzlich zuhören und um seine Meinung fragen, wenn Sie ihm klar machen, dass es nicht nur erlaubt, sondern auch wichtig ist, deutlich „Nein“ zu sagen, wenn ein Erwachsener etwas von ihm möchte, das dem Kind nicht geheuer ist. Auch feste Regeln in der Familie bieten einen gewissen Schutz, z. B. dass die Kinder sich nur vom Grundstück entfernen dürfen, wenn sie Bescheid gesagt haben, dass überhaupt niemand aus der Familie weggeht, ohne sein Ziel genannt zu haben (auch die Eltern nicht!).

Üben Sie Situationen im Rollenspiel, in denen Sie (als Nachbar oder auch Fremder) das Kind überreden wollen, mit Ihnen mitzugehen. Das Kind soll (dem Sinne nach, die Formulierung können Sie sich ja zusammen mit dem Kind ausdenken) antworten: „Da muss ich aber erst meinen Eltern Bescheid sagen!“ Fragen Sie danach immer mal wieder: „Was antwortest du, wenn dich einer überreden will, mit ihm mitzugehen?“, bis Sie den Eindruck haben, dieser Satz kommt völlig automatisch.

Hilfsbereitschaft ist sehr schön, kann aber zur Falle werden.

Deshalb darf kein Kind

  • Fremden den Weg zeigen, indem es ein Stück mitgeht oder mitfährt
  • schwachen oder gebrechlichen Unbekannten nach Hause helfen
  • ein krankes Haustier zu seinem (fremden) Besitzer begleiten

Sagen Sie Ihrem Kind auch (oder besser denken Sie sich Spielszenen aus), dass

  • kein echter Polizist an die Haustür kommt, um ein Kind abzuholen
  • man den „Getränkemann“ nur hereinlässt, wenn es vorher abgesprochen ist
  • es wichtig ist, von auffälligen Begegnungen schnellstmöglich zu berichten
  • es in einen Laden, an die Tankstelle, den Kiosk... gehen soll, wenn es sich verlaufen hat,
  • statt einen Vorübergehenden um Hilfe zu bitten

Was hilft mir, einen sexuellen Missbrauch zu erkennen?

Gerade weil die Täter unter Androhung von schlimmsten Strafen die Geheimhaltung fordern, ist es für ein betroffenes Kind so schwer, sich darüber hinwegzusetzen und sich seinen Eltern anzuvertrauen. Vielleicht spürt das Kind auch, dass das Geschehene unrecht war und ist nicht sicher, wie Vater und Mutter reagieren. Oder es hat selbst eine Regel durchbrochen (Weggehen , ohne Bescheid zu sagen) und fürchtet Ärger.

Oft erlebt ein Kind die Eltern stark als eine Einheit. Dann fragt es sich: Kann ich der Mutter überhaupt sagen, was der Vater mit mir gemacht hat? Wie wird sie reagieren? Wird sie mir überhaupt glauben? Ist es nicht besser, ich vergesse das Ganze und denke nicht mehr daran (wahrscheinlich ist das erfolglos, weil der Vater den Übergriff wiederholen wird)? Je älter ein Kind ist, desto mehr spielen auch Überlegungen eine Rolle wie „Dann kommt mein Vater ins Gefängnis! Wie reden dann die Leute über uns? Vater hat gesagt, wenn ich ihn verrate, dann redet er nie mehr mit mir.“ Das aber will auch ein missbrauchtes Kind nicht, es dauert lange, bis es seinen Vater wirklich hasst. Selbst wenn Sie Ihrem Kind immer wieder sagen, dass es mit allen Sorgen, Nöten, Fragen zu Ihnen kommen kann, ist das keine Sicherheit, dass sich das Kind Ihnen anvertraut, ist doch das Geschehene so ungeheuerlich und bringt so viele ungeklärte Gefühle mit sich.

Ansehen kann man den Missbrauch niemandem. Doch was man beobachten kann, ist eine Veränderung des Kindes. Dann kann ein Missbrauch vorliegen, muss es aber nicht! Wenn also

·      ein lebhaftes Kind besonders ruhig wird,

·      ein lautes leise,

·      wenn Schlaf- oder Essstörungen entstehen,

·      eine besondere Anhänglichkeit,

·      ein ausgeprägtes Interesse an Sexualität deutlich wird,

·      ein Kind viel weint, sich weigert, eine bestimmte Person (Täter) zu besuchen oder von ihm nicht „gehütet“ werden will,

·      Konzentrationsmängel, Gedächtnisprobleme oder Wahrnehmungsstörungen auftreten

·      wenn Zwänge, Stimmungswechsel, Krankheiten oder Depressionen auftreten

·      wenn ein Kind plötzlich im Sommer Handschuhe anzieht, wenn es sich versteckt oder wegläuft

·      wenn es sich ständig wäscht....

Möglichkeiten gibt es unzählige. Helfen kann uns da nur, wenn wir unsere Kinder grundsätzlich gut beobachten, dass uns Veränderungen auffallen. Dann gilt es behutsam, aber intensiv nachzuforschen, (nicht nur mit Reden, auch Beobachten beim Spielen, Anregungen geben mit Handpuppenspiel, Geschichten erzählen bzw. weitererzählen lassen...), uns mit dem Partner und bei Unklarheit auch weiteren Bezugspersonen des Kindes zu besprechen, bis wir eine Antwort finden, die - wie gesagt - nicht immer „Missbrauch“ heißen muss.