Individualpsychologische Beratungspraxis (DGIP) Renate Freund
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Arzt- und Zahnarztbesuche Petra soll geimpft werden. Das hat ihr die Mutter schon
vor einer Woche gesagt, und seitdem geht es ständig hin und her: „Ich
will aber nicht!“ - „Doch, du musst!“ „Ich geh´ da aber nicht
hin!“ - „ Und ob du das tust!“ Mal ist der Ton laut und trotzig, mal
leise, weinerlich, und die Mutter antwortet in der gleichen Weise. Als es
dann endlich so weit ist, bedarf es langen Redens, bis Petra aus dem Auto
steigt, und ins Sprechzimmer wird sie von der Mutter förmlich geschoben.
„Ich verspreche dir, es tut überhaupt nicht weh!“, beteuert der
Doktor, während die Mutter das Kind mit aller Kraft festhält, damit es
nicht im letzten Moment doch noch davonläuft. „Au!“, schreit Petra,
als die Injektionsnadel in ihre Haut fährt, „ihr seid gemein, ich glaub´
euch nie mehr! Das tut ja doch weh!“ und dann beginnt sie zu weinen und
zu schluchzen, bis sie sich zuhause in ihr Bett verkriechen kann. Seien Sie mal ehrlich! Werden Sie nicht auch
nervös, wenn Sie wissen, dass Sie in einer Woche eine größere
Zahnbehandlung, eine wichtige ärztliche Untersuchung oder gar eine
Operation vor sich haben? Für Kinder in Petras Alter ist eine Woche ein
noch nicht überschaubarer Zeitraum, so dass sie jeden Tag auf das angekündigte
Ereignis wartet, das in ihrer Vorstellung immer bedeutungsvoller und
unheimlicher wird. Deshalb hätte die Mutter gut daran getan, den
Arztbesuch erst am Tag vor dem Termin anzukündigen. Außerdem hätte sie
Petra erklären sollen, warum eine Impfung wichtig ist und dass sie ein
wenig unangenehm sein kann („Es gibt einen Pieks, der ein bisschen weh
tut, aber das ist ganz schnell wieder vorbei!“).Wenn sie dann noch
gesagt hätte, dass alle Kinder in Petras Alter geimpft werden müssen,
auch wenn sie das nicht schön finden, dann wäre die Reaktion vermutlich
anders ausgefallen. Wir erinnern uns: Auch hier ist es wichtig, sich neben
sein Kind zu stellen und sich gemeinsam die unangenehme Sache zu
betrachten, statt zu befehlen und anzuordnen. Außerdem bringt es nichts,
Unangenehmes zu verschweigen. Da der Einstich doch weh tut, fühlt sich
Petra betrogen und wird bei künftigen Ankündigungen von Arztbesuchen
nicht mehr glauben, dass alles schmerzlos sein wird. Ganz anders verlief ein Arztbesuch im
folgenden Beispiel: Stephan hatte sich beim Rangeln im
Kindergarten eine Platzwunde am Kopf zugezogen, die genäht werden musste.
Während die Mutter ihn zum Arzt fuhr, erklärte sie dem Jungen, was ihn
erwartet: „Zuerst müssen sie dir wahrscheinlich ein paar Haare
abschneiden, damit die nicht im Weg sind. Dann kommt auf die Wunde ein
kalter Spray. Der brennt vielleicht ein wenig, aber nur ganz kurz; denn
der betäubt die Stelle, so dass du hinterher nichts merkst, wenn der
Doktor die Wunde zunäht. Ich kann es dir nicht versprechen, aber ich
frage den Doktor, ob ich die ganze Zeit bei dir bleiben darf. Meistens
erlauben die das dann auch.“ Während Stephan auf der Behandlungsliege
lag, erzählte er dem Arzt: „Nun schneidest du ein paar Haare ab, aber
nicht alle, nur ein bisschen um die Stellen, und dann kommt ein kalter
Spray“ usw.. Um sich selbst zu beruhigen wiederholte er alles, was die
Mutter ihm vorher erklärt hatte. Glücklicherweise nahm der Arzt diese
„Anweisungen“ positiv auf, unterhielt sich mit Stephan und bewunderte
ihn, wie gut er Bescheid wusste. Nun ist es nicht immer so, dass wir genau
wissen, was ein Arzt mit dem Kind macht. Dann sollten wir dies dem Kind
auch ehrlich mitteilen und ihm sagen, dass jeder Doktor sich bemüht,
seinen Patienten möglichst nicht wehzutun, dass es aber manchmal sein
muss, wenn er sie wieder gesund machen möchte. „Ich bin bei dir“
(gegebenenfalls mit obiger Einschränkung) ist schon eine gute Beruhigung
für das Kind. Ein erster Besuch beim Zahnarzt sollte auf alle Fälle nur einer zum Nachsehen sein, bei dem die Geräte erklärt werden und das Kind ein wenig auf dem Stuhl auf- und abfahren kann. Wenn dann wirklich ein Zahn behandelt werden muss, ist das Kind viel bereiter sich darauf einzulassen. (Auch hier bitte keine Vorankündigung „Das tut bestimmt nicht weh!“, wenn wir es nicht genau wissen!). Genauso ist es wichtig, dass Sie nicht versuchen, mit dem Zahnarzt zu drohen, wenn Ihr Kind seine Zähne nicht putzen will; denn wie wollen Sie Ihr Kind positiv darauf einstimmen, nachdem Sie ihn vorher immer als Strafe in Aussicht gestellt haben? Zum Schluss noch zwei vielleicht hilfreiche Tipps: Sollte sich eines Ihrer Kinder einen Zahn
ausschlagen, so ist es wichtig, dass es diesen im Mund behält und unverzüglich
den Zahnarzt aufsucht. Dann ist nämlich die Chance am größten, dass er
wieder implantiert werden kann und anwächst. Bei
einem Zeckenbiss die Zecke mit zum Arzt nehmen! Dann muss nicht das Blut
Ihres Kindes, sondern die Zecke auf Borreliose-Erreger untersucht werden,
was zum einen die Blutabnahme vermeiden lässt und zum anderen schneller
ein sicheres Ergebnis ergibt.
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