Individualpsychologische Beratungspraxis (DGIP) Renate Freund
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Machtkämpfe Ohne es zu wollen fechten Eltern und Kinder täglich unzählige Machtkämpfe miteinander aus, die für alle zermürbend sind und das Familienklima belasten. Das sieht dann zum Beispiel folgendermaßen aus: Christian
(4) drückt mit Begeisterung auf sämtlich Knöpfe der Stereoanlage seiner
Eltern, obwohl sie es ihm schon oft verboten haben. "Wenn du noch mal
an meine Anlage gehst," droht der Vater, "kriegst du den Po
voll!", aber kaum dass er das Zimmer verlassen hat, dreht Christian
schon wieder an den Knöpfen und freut sich, wenn Musik ertönt. Der Vater
gibt Christian tatsächlich einen Klaps, aber nichts ändert sich. Selbst
als er ihn schließlich in sein Zimmer schickt und ihm die Kinderstunde im
Fernsehen verbietet, antwortet Christian: "Ich wollte ja auch gerad'
oben spielen, und KiKa ist sowieso blöd." Ein
Verbot wird nicht eingehalten – es folgt eine Bestrafung – das Kind
handelt wieder gegen das Verbot – es folgt eine härtere Strafe und
schließlich sagt das Kind, dass die Strafe ihm nichts ausmacht. Dieser
Ablauf ist typisch, wenn wir uns mit dem Kind in einem Machtkampf
befinden. Wenn wir das erkannt haben, sind wir schon einen guten Schritt
weiter; denn nun wissen wir: Jeder Druck, den ich ausübe, erzeugt
Gegendruck. Selbst wenn ich heute „gewinne“, wird mein Kind bei nächster
Gelegenheit versuchen mich zu besiegen. „Soll
ich deshalb meinem Kind immer alles erlauben?“, werden manche nun fragen
und am Horizont schon einen kleinen Tyrannen auftauchen sehen. Nein, das
meine ich ganz und gar nicht! Kinder brauchen Grenzen als Halt und Geleit
für eine gesunde Entwicklung. Dazu gehören auch Verbote. Entscheidend
ist jedoch die Weise, wie man sie ihnen nahe bringt. Der Vater hätte
angemessener gehandelt, wenn er den Sohn gefragt hätte: "Bist
du schon vernünftig genug, dass du im Wohnzimmer spielen kannst, auch
wenn wir nicht da sind, ohne an die Stereoanlage zu gehen? Schaffst du
das?" oder wenn das Kind doch wieder an den Knöpfen gedreht hat:
"Schade, dass du noch nicht so zuverlässig bist, dass wir dich
allein im Wohnzimmer lassen können. Dann kannst du heute ( bis Sonntag
oder in den nächsten drei Tagen ; wichtig ist es, jetzt einen begrenzten
Zeitraum zu nennen, damit das Kind das Gefühl hat, es bekommt dann eine
neue Chance!) nicht dort spielen, wenn Mama oder ich nicht im Zimmer
sind.“ Selbst
wenn das Kind beteuert, es wird die Anlage fortan in Ruhe lassen, sollten
Sie bei dem von Ihnen gesteckten Zeitraum bleiben. Sonst könnte es ein
Teil des Machtkampfes Ihres Kindes sein, dass es Ihnen beteuert, es werde
sich recht verhalten, in Wirklichkeit aber wieder nur zeigen will: "Ätsch,
ich bin doch der Sieger. Du lässt mich wieder unbeaufsichtigt ins
Wohnzimmer, und ich gehe an die Musikanlage." Auch
ein Angebot der Gleichwertigkeit wäre eine sinnvolle Alternative. ("Ich nehme mir deine Spielsachen nicht, ohne dich zu
fragen. Also bitte ich dich auch, dass du uns fragst, wenn du unsere
Sachen wie zum Beispiel die Stereoanlage benutzen möchtest. O.k.? Das
machen große Leute eben so untereinander.") Viele
Kinder faszinieren technische Geräte jeder Art. Wenn man das berücksichtigt
und Christian z.B. einen eigenen Kassettenrecorder, ein altes Radio oder
andere technische Geräte bedienen lässt (Toaster und Staubsauger
anstellen, "seine" Sendung im Fernsehen selbst ein- und
ausschalten), fühlt er sich mit seinem Interesse ernstgenommen und wird
das Interesse der Eltern (eine unversehrte Stereoanlage) eher akzeptieren.
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