Individualpsychologische Beratungspraxis (DGIP)

Renate Freund

 

 

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Svenja raucht

Die Mutter füllt gerade die Waschmaschine. Weil noch ein wenig Platz ist, beschließt sie, Svenjas Jacke mitzuwaschen, die an der Garderobe hängt. Als sie die Taschen ausleert, hält sie eine angebrochene Zigarettenschachtel und ein Feuerzeug in der Hand, außerdem eine Rolle Pfefferminzbonbons. Die Mutter ist  entsetzt! In ihrer Familie raucht niemand, und Svenja ist doch erst 11!

Zunächst ist die Mutter schockiert. Ihre Tochter - das hätte sie nicht gedacht! Sie fragt sich, was sie falsch gemacht, versäumt hat, dass Svenja so etwas tut. Ist das etwa der Anfang von einer Drogenkarriere? Geht es nach den Zigaretten weiter mit Haschisch? Und dann mit härteren Drogen? Eine schreckliche Zukunftsvision taucht vor ihren Augen auf.

Sie ist auch enttäuscht, fühlt sich hintergangen und bloßgestellt. Am liebsten würde sie Svenja gleich zur Rede stellen und ihr sagen, wie sie ihr Verhalten getroffen hat. Es ist ein Gefühl von Wut und Ohnmacht, Trauer und Ungerecht-behandelt-seins, das in ihr aufsteigt, dazu die Angst und Sorge, wie es mit Svenja weitergeht.

Gut ist nur, dass Svenja in diesem Moment nicht zuhause ist; denn wie leicht sagt man in einem solchen Zustand aufgewühlter, ungeklärter Emotionen etwas, das man später bereut und das den Konflikt nur vergrößern würde. Wäre das Mädchen jetzt im Hause, sollte die Mutter trotzdem Zeit verstreichen lassen, bevor sie mit ihm redet, vielleicht erst einmal mit ihrem Mann die Situation besprechen und sich über die eigenen Gefühle klar werden. Aber wie soll sie sich dann verhalten? Soll sie Svenja Vorhaltungen machen? Oder so tun, als hätte sie nichts gesehen (aber wohin dann mit den Zigaretten?)? Soll sie Svenja aufs Glatteis führen, indem sie sie fragt, ob sie rauche, ohne den Fund zu erwähnen? Soll sie schimpfen oder bestrafen, und wenn ja, wie?

Wie hätten Sie sich verhalten?

Das Beispiel hat nichts darüber ausgesagt, wie Mutter und Tochter im Allgemeinen miteinander auskommen.

Angenommen, die Familie lebt in einer recht guten Atmosphäre miteinander (und auch da kommt es vor, dass das Kind raucht!), so würde die Mutter sicher das Gespräch suchen, nicht gleich als Empfang an der Haustür, wenn die Tochter heimkommt, aber doch bald. Sie könnte Svenja einfach sagen, dass sie die Zigaretten aus der Jacke in die Flurgarderobe gelegt habe, da sie die Jacke waschen wollte. Dann wäre es an der Tochter, sich zu äußern. Wenn diese nichts sagt, könnte die Mutter das Gespräch fortführen, indem sie die Tochter fragt, warum sie sich die Zigaretten gekauft hat und was sie am Rauchen findet. Dass die Mutter dagegen ist, weiß Svenja ohnehin. Ein Vortrag über die Schädlichkeit des Rauchens gerade bei Heranwachsenden hätte nur Sinn, wenn die Mutter wirklich meint, dass Svenja dieses nicht längst selber weiß. Sie kann höchstens noch einmal zu bedenken geben, dass starkes Rauchen dazu führen kann ,dass das Kind nicht mehr wächst, was zumindest bei Jungen nicht unwichtig ist. Auch ein Verbot würde nichts nützen. So hat die Mutter nur die Chance, auf das einzugehen, was die Tochter ihr als Begründung geliefert hat. (z.B. auf „alle in der Clique rauchen“ mit „ich kann verstehen, dass du dazugehören möchtest, aber meinst du wirklich, dass sie dich ausschließen, wenn du nicht rauchst?“ oder auf „ich wollte es mal probieren“ mit der Rückfrage „und wie findest du es?“ oder mit der Entgegnung „das hättest du nicht heimlich zu machen brauchen“)

Wenn ohnehin das Familienklima getrübt ist, kann die Mutter damit rechnen, dass die Tochter. ihr Vorwürfe macht, dass sie überhaupt an ihre Jacke gegangen ist. (Ein schlechtes Gewissen führt schnell dazu, zurück zu schießen und den anderen zu beschuldigen). Dann wäre es zunächst vernünftig, dieses Problem zu lösen, nämlich genaue Abmachungen darüber zu treffen, wie das Problem „Wäsche“ in Zukunft geregelt werden soll. Wenn sich an diesem Punkt die Tochter ernst genommen fühlt, ist sie vielleicht eher bereit, über das Rauchen zu sprechen.

Für solche Gespräche rate ich Ihnen: Stoßen Sie sich jetzt nicht an der Ausdrucksweise Ihres Kindes! Überhören Sie unangemessene Worte in einem solchen Gespräch einfach, was aber nicht heißt, dass Sie zu anderen Zeiten bei bestimmten Ausdrücken oder Redeweisen durchaus sagen können, dass sie Sie stören. Wenn Sie es nur jetzt tun, wird die gleichwertige Ebene verlassen, auf der es Ihrem Kind leichter fällt, sich von Ihnen etwas sagen zu lassen.

Das Thema „Rauchen“ ist einfacher lösbar, wenn ein(e) Jugendliche(r) Sport treibt; denn da wird eine schlechtere Kondition schon bald ein Grund zum Aufhören werden. Außerdem hat es ein Sportler leichter, mit dem Hinweis auf seinen Sport „nein“ zu sagen.