Individualpsychologische Beratungspraxis (DGIP)

Renate Freund

 

 

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Wenn du nicht lieb bist, kommt der Weihnachtsmann auch nicht

 Tina war ein unauffälliges Kind, bis sie kurz vor Weihnachten alle vor ein Rätsel stellte, weil sie plötzlich, ohne einen ersichtlichen Grund, mit den Kindern im Kindergarten stritt, sie schlug und trat und sich durch nichts davon längerfristig abbringen ließ. Die Erzieherinnen standen vor einem Rätsel, und auch die Mutter konnte es sich nicht erklären. 

Ein langes Gespräch mit der Mutter brachte dann folgendes ans Licht: Tina hatte ihren Barbie-Pferden die Mähnen abgeschnitten. Aus Ärger darüber hatte die Mutter gesagt: "Wenn du so böse bist, dann kommt zu dir nicht der Weihnachtsmann!" Die Reaktion des Kindes war, dass es zuhause noch viel mehr Unheil mit der Schere anrichtete (Machtkampf: du kannst mir zwar Strafen androhen, aber ich lass mich nicht klein kriegen und mache trotzdem weiter, ätsch!) und aggressiv gegen alle Kinder wurde, die sich im Kindergarten auf Weihnachten freuten, von ihren Wünschen erzählten und auf den Weihnachtsmann warteten. Tina gehörte auf einmal nicht mehr dazu, war ausgeschlossen aus dem Kreis derjenigen, die sich auf Weihnachten freuten. Diese Mischung aus Wut, Verzweiflung und Trauer fand ein Ventil in ihren Attacken auf die anderen Kinder, aber da ihre Wunde immer wieder aufgerissen wurde durch alle Formen von Weihnachtsvorbereitungen, musste sie immer wieder neu angreifen und weh tun.

Das änderte sich übrigens schlagartig, als die Mutter nach unserem Gespräch Tina mitteilte, der Weihnachtsmann würde doch kommen. Dieses Beispiel macht deutlich, dass auch schon bei Kindern im Vorschulalter Gründe für aggressives Verhalten nicht immer unmittelbar ersichtlich sind und zuweilen auch nicht unmittelbar etwas mit den "Opfern" zu tun haben. (Das wird später noch viel ausgeprägter so sein.) Wenn Sie bei Ihrem Kind so eine Verhaltensänderung bemerken und sie nicht deuten können, sollten Sie schnell das Gespräch (wenn schon möglich) mit dem Kind, mit allen Bezugspersonen des Kindes und, wenn das keine Erkenntnis oder Änderung bringt, auch mit einem professionellen Berater suchen, um dem Kind zu helfen. Aggressionen entstehen eben auch aus einer großen Not des Kindes. Überhaupt gilt immer der Satz "Wer Probleme macht, der hat Probleme". Wenn wir diese erkennen und abzustellen oder wenigstens zu minimieren versuchen, braucht unser Kind nicht aggressiv zu werden.